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Rezension

Rezension: „History, Fiction, and The Tudors“ von William B. Robison

Isabel Busch, Februar 2018/April 2020
Buchcover History, Fiction and the Tudors

Viele Historiker*innen haben eine ambivalente Einstellung gegenüber historischer Fiktion, denn es verläuft ein schmaler Grat zwischen notwendiger historischer Genauigkeit und künstlerischer Freiheit. Eine der beliebtesten fiktiven historischen Fernsehserien der vergangenen Jahre, The Tudors vom Sender Showtime, bildet keine Ausnahme. Expert*innen für die Tudor-Dynastie kritisieren die Ungenauigkeiten der Serie, aber sie erkennen gleichermaßen an, dass ihre Popularität ein Werkzeug sein kann, um ein Interesse an den realen Tudors zu fördern. So eine Fernsehserie erzählt Geschichten idealerweise mit Figuren und Handlungssträngen, die die Zuschauer*innen faszinieren.

William B. Robison greift diesen Punkt auf, um in der Einleitung die Intention der diversen Autor*innen, die an diesem Werk mitgearbeitet haben, zu erklären. Ihr Ziel sei es, ein Handbuch zur Fernsehserie zur Verfügung zu stellen, und zu erläutern, was an der Serie historisch akkurat bzw. nicht akkurat sei. Er betont, dass weder er selbst noch seine Mit-Autor*innen einfach nur die Serie kritisieren, sondern deutlich machen wollten, was jeder und jedem von ihnen daran gefällt. Dennoch merkt der Herausgeber an, dass die Anziehungskraft der Serie stark von „lots of good-looking men and women, brightly (if inaccurately) costumed and frequently naked“ [vielen gutaussehenden Männern und Frauen, die fröhlich (wenn auch historisch ungenau) kostümiert und häufig nackt seien] (7) abhänge. Tatsächlich stimmen die Autor*innen im Großen und Ganzen darin überein, dass der Fokus der Serie auf Erotik und Figuren, die modernen Schönheitsstereotypen entsprechen, einer der Nachteile der Serie darstelle, da es an „intellectual subtlety“ [intellektueller Subtilität] mangele (7).

Die behandelten Themen in dem Sammelband beinhalten: die Darstellung von Henry VIII (Kap.2), Katharina von Aragón (Kap.3), Anne Boleyn (Kap.4), Henry´s Kinder (Kap.6), Henry´s Minister (Kap.10), Verbrechen in der Tudor-Ära (Kap.15), der Unterschied zwischen Humanismus und Humanitarismus (Kap.16), Mode und Kostüme (Kap.19), Geschlecht, Sex und Vergewaltigung (Kap.20) und Erkrankungen und Heilmethoden (Kap.21).

Die Autorin dieser Rezension konzentriert sich auf die zwei Aufsätze, die für ihre eigene Forschung am wichtigsten waren: Susan Bordo: The Tudors, Natalie Dormer, and our „Default“ Anne Boleyn (Kapitel 2) und Megan L. Hickerson: Putting Women in Their Place: Gender, Sex, and Rape in The Tudors (Kapitel 20) .

Susan Bordo: The Tudors, Natalie Dormer, and our „Default“ Anne Boleyn

Susan Bordo präsentiert hier einen geringfügig veränderten Auszug aus ihrem empfehlenswertem Werk The Creation of Anne Boleyn. Sie vergleicht, wie Anne Boleyn sowohl in nicht fiktiven als auch fiktiven Werken dargestellt wird. Bezüglich der fiktiven Anne Boleyn fokussiert sich Bordo vor allem auf The Tudors, aber auch auf Hilary Mantels Romane Wolf Hall (Wölfe) und Bring Up the Bodies (Falken), die ebenso in eine Fernsehserie adaptiert wurden. Mit einem Zitat der Autorin Hilary Mantel, die Susan Bordo interviewt hatte, beginnt auch der Aufsatz: „´All historical fiction is really contemporary fiction (…). We always write from our own time´“ [Jede historische Fiktion ist in Wirklichkeit Fiktion der Gegenwart (…). Wir schreiben immer aus unserer eigenen Zeit heraus] (77). Bordo ermutigt die Zuschauer*innen / Leser*innen, sich diese Aussage zu Herzen zu nehmen, wenn es um historische Fiktion geht. Sie betont, dass sowohl Mantels Werke als auch die Showtime-Serie historisches Material selektiv verwende, um gewisse Lücken zu füllen, während andere geschaffen würden. Diese Maßnahmen würden dazu dienen, die eigenen Ansichten darzustellen. Sie beleuchtet nebenher ebenso kritisch die Darstellungen der historischen Anne durch ihr feindlich gesinnte Zeitgenossen, wie Eustace Chapuys, Botschafter von Kaiser Karl V. am Tudor-Hof.

Die Autorin begrüßt insbesondere die Veränderungen in der Darstellung von Anne in der zweiten Staffel von The Tudors, die von Natalie Dormer, die Anne in der Serie verkörpert, initiiert wurden. Die neue Anne „was still sexy but brainy, politically engaged, a loving mother, and a committed reformist“ [war immer noch sexy, aber auch klug, politisch aktiv, eine liebende Mutter und eine engagierte Reformatorin] (88). Bordo untermauert ihr Argument, indem sie Aussagen von weiblichen Zuschauerinnen, die die neue Anne lobten, präsentiert. Sie schließt mit einer Warnung vor anderen fiktiven, stereotypischen Darstellungen von Anne, denn „as representatives of ´history´—or even of human beings—they are far too simplistic to let pass in our season“ [als Repräsentantinnen der ´Geschichte´—oder sogar der Menschheit—sind sie viel zu vereinfachend, um in unserer Zeit durchzugehen] (92).

Megan L. Hickerson: Putting Women in Their Place: Gender, Sex, and Rape in The Tudors

In „Putting Women in Their Place: Gender, Sex, and Rape in The Tudors”, argumentiert Megan L. Hickerson, dass Michael Hirsts Serie eine aggressive, männliche Sexualität befürworten würde, auf Kosten der weiblichen, sexuellen Autonomie. Nach der Analyse eines bestimmten Handlungsstranges gibt sie einen detaillierten Überblick über verschiedene Aussagen im Sexismus- und Geschlechterideologie-Diskurs, nicht nur in Bezug auf The Tudors.

Hickerson argumentiert ferner, dass die Serie sich auf den sogenannten „[e]nlightened sexism“ [aufgeklärten Sexismus] verlassen würde. Das heißt, dass moderne Frauen so viel in Sachen Gleichberechtigung erreicht hätten, dass das Zurückbringen von sexistischen Stereotypen von Mädchen und Frauen ihrer Autonomie nicht schaden würden. Diese Art von Sexismus berge die Gefahr, dass Frauen in eine Falle tappen, wenn sie zu unkritisch die Darstellung heterosexueller Sexualität auf dem Bildschirm betrachten. Hickerson betont, dass die weiblichen Figuren zum großen Teil an das gebunden seien, was Naomi Wolf den „´beauty myth´“ [Schönheitsmythos] nennt (313), der von zentraler Bedeutung für die Akzentuierung ihrer sexuellen Attraktivität sei. Hickersons Meinung nach schade dies den Chancen der Frauen, um ihretwillen respektiert und tatsächlich geliebt zu werden, da sie konstant auf ihre (Selbst-) Objektifizierung reduziert würden.

bwohl Hickerson einige gute Argumente vorbringt, wenn sie The Tudors für seine stereotypische und nicht gerade feminismusfreundliche Darstellungen von Heterosexualität moniert, sollte der folgende Aspekt nicht unhinterfragt bleiben: Hickersons Argumenten folgend, entsteht der Eindruck, dass ausschließlich nicht-konsensualer Geschlechtsverkehr in der Serie stattfindet. Beobachtungen, die sie selber trifft (wie die Szene mit dem Geschlechtsakt zwischen Charles Brandon und Brigitte Rousselot in der 4. Staffel1) widersprechen dabei ihren eigenen Argumenten. Zudem bleiben Beispiele für eindeutig konsensualen Geschlechtsverkehr unerwähnt, wie zwischen Anne Boleyn und Henry VIII.

Dies wird in der Analyse von Hickerson nicht aufgegriffen. Dennoch ist ihr Aufsatz wichtig, um das Bewusstsein der Zuschauer*innen für die Darstellung von Gender und Sexualität zu stärken.

Die anderen Aufsätze in diesem Band können hier nicht rezensiert werden, aber die Autorin dieser Rezension hat sie alle gelesen, und empfiehlt zusätzlich insbesondere den Aufsatz von Samantha Perez „Humanism and Humanitarianism in The Tudors“.

Als Fazit ist festzuhalten, dass dieser Band eine ausgezeichnete Begleitlektüre abgibt, für Fans der Fernsehserie The Tudors, ebenso wie für Menschen, die sich für die Tudor-Forschung interessieren.

Zum Buch

Robison, William B. (Hrsg.): History, Fiction, and The Tudors: Sex, Politics, Power, and Artistic License in the Showtime Television Series (Queenship and Power), Palgrave Macmillan; Auflage: 1st ed. 2016 (11. Februar 2017). ISBN-13: 978-1137438812, Gebundene Ausgabe: 384 Seiten.

Verfasst von

Isabel Busch, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin Haus der FrauenGeschichte (HdFG), Bonn.

Empfohlene Zitierweise

Isabel Busch (2018/20): History, Fiction and the Tudors, in: Haus der FrauenGeschichte (HdFG), Bonn.

                                URL: https://www.hdfg.de/blog//2020/04/rezension-history-fiction-and-the-tudors